Teil 1 der zweiteiligen Serie: Traditionelle Alpenpflanzen und ihr dermato-kosmetisches Potenzial
Was verbinden Sie mit klarer Bergluft, schneebedeckten Gipfeln und duftenden wilden Wiesenkräutern? Vielleicht einen Hauch von Ruhe, Frische oder den Einklang mit der Natur.
Alpine Pflanzenextrakte fügen sich scheinbar mühelos in nachhaltige und natürliche Kosmetikkonzepte ein. Nicht nur, weil die Nachfrage nach regionalen und traditionellen Rohstoffen steigt oder Clean-Beauty-Konzepte den Wunsch nach „grüner Hautpflege“ bedienen. Entscheidend ist ihre außergewöhnliche Überlebensstrategie: Alpine Pflanzen trotzen hoher UV-Strahlung, extremen Temperaturschwankungen und trockener Höhenluft.
Sie schützen sich mit einer Vielzahl sekundärer Pflanzenstoffe, vor allem Antioxidantien, die Zellen schützen und Regenerationsprozesse anstoßen können. Ein Wirkmechanismus, den man auch kosmetisch nutzen möchte.
Die Stars alpiner Pflanzenwelten
Bekannte Heilkräuter neu bewertet und überraschend potente Kandidaten entdeckt.
Wir starten mit klassischen Pflanzen der alpinen Phytotherapie: der wilden Malve, dem Frauenmantel, der Melisse und der Pfefferminze. Danach folgen mit Ehrenpreis, Schafgarbe und Schlüsselblume drei Pflanzen, deren Potenzial in der Hautpflege bisher oft unterschätzt wird.
Malva sylvestris: Schleimstoffe als Reparaturhelfer für empfindliche Haut
Der wilden Malve sind Sie vielleicht schon auf einer blühenden Alpenwiese begegnet. Der aus ihren violetten Blüten gewonnene Extrakt gilt als reizlindernd, beruhigend und antioxidativ. Er enthält Gerbstoffe, Flavonoide und Cumarine – eine Verbindung, die den Extrakt zu einem intensiv feuchtigkeitsspendenden und schützenden Wirkstoff macht.
Der hohe Anteil an Schleimstoffen bildet auf empfindlicher oder sonnengeschädigter Haut einen sanften, hydratisierenden Schutzfilm.
Hinweis: Die Malvenblüte enthält einen geringen Anteil ätherischer Öle, die bei entsprechender Neigung allergische Reaktionen begünstigen können.
Alchemilla vulgaris: Bitterstoffe, die die Barriere trainieren
Frauenmantel – traditionell auch Eisenkraut oder Marienkraut genannt – wird in der Kosmetik vor allem wegen seiner adstringierenden und straffenden Eigenschaften eingesetzt. Die Symbiose aus Gerbstoffen, Flavonoiden, Bitterstoffen und Phytöstrogenen kann die Produktion von Kollagen und Elastin positiv beeinflussen und die Hautelastizität verbessern.
Gut zu wissen: Bitterstoffe stimulieren spezifische Rezeptoren in der Haut und können Stoffwechselprozesse beeinflussen, die wiederum die Barrierefunktion stärken. Dadurch eignet sich Frauenmantel hervorragend für reife oder entzündliche Hautbilder.
Melissa officinalis: Anti-Stress-Phytotherapeutikum mit dermatologischem Nutzen
Die Melisse gilt als Anti-Stress-Heilpflanze. Ein Profil, das sich auch auf der Haut zeigt. Der Melissa officinalis Leaf Extract wirkt antimikrobiell, antiviral und antifungal. Damit ist er sowohl für unreine Haut als auch für irritierte oder wundheilungsbedürftige Haut geeignet.
Die Melisse enthält hohe Mengen an Rosmarinsäure, einem starken Antioxidans, das freie Radikale abfängt und inflammatorische Prozesse modulieren kann. Nicht zufällig ist sie vor allem eine pharmazeutische Pflanze.
Mentha piperita: Menthol als Hautmodulator
Die Pfefferminze bringt neben ihrem erfrischenden Duft eine ganze Bandbreite an Wirkstoffen mit. Menthol (bis zu 45 %) aktiviert Kälterezeptoren, wirkt kühlend und kann Juckreiz lindern. Gleichzeitig stimuliert es die Mikrozirkulation der Haut.
In Kombination mit Flavonoiden und Triterpenen entfaltet die Pfefferminze eine entzündungshemmende und regenerierende Wirkung – daher interessant für klärende und erfrischende Formulierungen.
Hinweis: In höheren Konzentrationen kann Pfefferminze irritierend wirken, daher ist die Dosierung entscheidend.
Veronica officinalis: Iridoide als zellregenerierende Wirkstoffe
Ehrenpreis ist eine widerstandsfähige Alpenpflanze, die seit Jahrhunderten als „universelles Heilmittel“ geschätzt wird. Dermatologisch relevant sind vor allem die enthaltenen Iridoide, die antibakterielle und regenerierende Effekte aufweisen.
Bitterstoffe, Saponine und Gerbstoffe unterstützen zusätzlich die Glättung und Beruhigung der Haut. Der Extrakt eignet sich besonders für gereizte, trockene oder barrieregeschwächte Haut.
Achillea millefolium: Azulen und die Kunst der Entzündungsmodulation
Schafgarbenextrakt enthält Azulen sowie weitere entzündungshemmende und zellregenerierende Verbindungen. Die Wirkungen auf der Haut:
- adstringierend
- wundheilungsfördernd
- regenerierend
Damit ist Schafgarbe ein traditioneller, aber hochrelevanter Wirkstoff für Problemhaut und Akne.
Hinweis: Bei bestehender Korbblütler-Allergie sind Kontaktreaktionen möglich.
Primula veris: Saponine und der dezente Phyto-Botox-Effekt
Die Schlüsselblume beeindruckt durch ihren Gehalt an Saponinen, Carotinoiden und Triterpensaponinen. Besonders interessant ist Primulaverin, das ähnlich wie Salicylsäure wirkt und die oberflächliche Muskulatur der Haut beeinflussen kann.
Dies erklärt den häufig beschriebenen „Phyto-Botox-Effekt“: feine Knitterfalten können sich vorübergehend glätten, die Haut wirkt frischer und glatter. Wertvoll für sensibilisierte und gestresste Haut.
Anwendung in der Kosmetik
Alpine Wirkstoffe in modernen Formulierungen
Alpine Pflanzenextrakte lassen sich einzeln oder in synergistischen Kombinationen einsetzen. Beispiele:
- Eine beruhigende Maske könnte Malven- und Melissenextrakte enthalten.
- Ein klärendes Tonikum Pfefferminze und Schafgarbe.
- Frauenmantel passt zu straffenden Seren, Ehrenpreis zu barrierestärkenden Leave-on-Produkten.
Alpine Wirkstoffe integrieren sich zudem in Clean-Beauty-Konzepte: natürliche Inhaltsstoffe, Transparenz, Regionalität und traditionelle Phytotherapie im Fokus.
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Ausblick auf Teil 2
Im zweiten Teil widmen wir uns den „Superhelden“ der alpinen Wirkstoffwelt; Pflanzen, die unter extremen Bedingungen außergewöhnliche Schutzmechanismen entwickelt haben. Dazu gehören die Alpenrose, Edelweiß, Berg-Arnika, der Gelbe Enzian und die Linde. Wir beleuchten, was diese Extrakte leisten können, wie sie oxidativen Stress abfangen, die Barriere stabilisieren und Regenerationsprozesse beschleunigen können.
Außerdem sehen wir uns an, wie sich alpine Wirkstoffe mit apparativen Behandlungen sinnvoll kombinieren lassen, etwa mit Microdermabrasion, Microneedling, Ultraschall, Lymphdrainage, Packungen und Masken. Und welche konkreten Ansätze sich für die Praxis ableiten lassen. Bleiben Sie also dran 🙂