Koffein ist für viele Menschen der ultimative Wachmacher am Morgen. Nun aber soll die Substanz nicht nur den Kreislauf in Schwung bringen, sondern auch die innovative Lösung für viele Hautprobleme sein. Immer mehr Kosmetikhersteller werben mit dem Wirkstoff Koffein (INCI: Caffeine) in ihren Produkten. Als Anti-Aging-Mittel, als Cellulite-Reducer, als Helfer bei Hautentzündungen. Was ist dran an diesen Versprechungen?
In der Sat.1-Fernsehsendung ” Die Höhle der Löwen” hat ein Gründer seine Kosmetiklinie mit und um Koffein vorgestellt. Koffein – quasi als Allheil- und neues Hautwundermittel. Das war für mich der Anlass, mir den Inhaltsstoff noch einmal genau anzusehen.
Koffein – hohe Versprechungen aus der Kosmetikindustrie
Befrage ich Google zu Koffein in der Hautpflege, dann bin ich hoch beeindruckt. Als Radikalfänger par excellence, als Haarwuchsmittel und als Helfer gegen Augenringe – der Stoff aus der Kaffeebohne präsentiert sich von seiner besten Seite. Sollte ich mir meinen morgendlichen Kaffee also gleich direkt auf die Haut schütten? So einfach ist es dann wohl doch nicht – und außerdem kommt Koffein nicht nur in den Samen des Kaffeestrauches und in der Kaffeebohne vor.
Nicht nur aus der Kaffeebohne
Koffein ist Bestandteil von über 60 Pflanzen, unter anderem der Kolanuss, dem Matebaum oder unterschiedlichen Teesträuchern. Der begehrte Wirkstoff wird meist aus Kaffeebohnen und Teeblättern extrahiert.
Übrigens ist der in Grün- oder Schwarztee und als “Tein” bekannte Wirkstoff nichts anderes als Koffein. Der einzige Unterschied beruht auf der physiologischen Wirkstoff-Freisetzung. Der Inhaltsstoff der Kaffeebohne wird bei Kontakt mit der Magensäure sofort freigesetzt. Koffein aus Tee ist an Polyphenole gebunden, die Freisetzung findet erst im Darm statt. Die Wirkung tritt später ein, hält aber länger an.
Das meiste Koffein enthält bei Weitem nicht die Kaffeebohne. Schon Kakaobohnen haben einen höheren Anteil. Den größten Wirkstoffgehalt weisen die Samen der Guaranápflanze auf, mit einem rund 5-mal größeren Koffeingehalt.
Ein pharmakologischer Wirkstoff
Koffein wird in der Pharmakologie eingesetzt, schon 1823 isolierte es der Apotheker Friedlieb Ferdinand Runge aus Kaffeebohnen. Wir alle kennen den Wirkstoff als Zusatz in Kopfschmerz oder Migränemitteln. Er regt nachweislich das Zentralnervensystem an.
Das von hohem Koffeinkonsum das Herz schneller schlägt, wir unruhiger werden, der Darm in Schwung kommt und wir nicht gut einschlafen können, das können wir aus Erfahrung bestätigen. Die Substanz hemmt auch die Muskelkontraktion im weiblichen Eileiter, ist leicht harntreibend und hat eine positive Wirkung auf die Gedächtnisleistung. Auch hier gibt es Einsatzgebiete.
Zurück zu Haut und Haar. Koffein soll den Haarwuchs anregen und ist Bestandteil von Shampoos und Haarwässern.
Koffein in der Haarpflege
In der Werbung sehen wir Männer mit vollem Haar, die den “Kaffee-Wirkstoff” für diese Pracht verantwortlich machen. Hierfür gibt es einen wissenschaftlichen Hintergrund, denn Koffein kann in die Haarwurzeln eindringen und diese in ihrer Funktion aktivieren.
Dass Koffein tatsächlich eine Stimulation der Haarwurzeln bewirkt, das wurde mittlerweile durch eine Studie der Universität Jena belegt. Diese Aktivierung lässt allerdings bereits nach kurzer Zeit nach und muss – damit bleibende Effekte erzielt werden – regelmäßig aufgetragen werden. Zusätzlich spielen die Einwirkzeit, die beim Haarewaschen hierfür in der Regel zu kurz ist und die Wirkstoffkonzentration eine wichtige Rolle.
Noch ein Trendwirkstoff in der Hautpflege
Koffein ist einer der aktuellen Trendwirkstoffe und wird als Serum, als Peeling und in Masken, Cremes und Massageölen angeboten. Beschriebene Wirkungen: Der Wirkstoff soll antioxidative Eigenschaften haben, die Haut glätten und straffen, das Gewebe entwässern und einen Einfluss auf die Fettspaltung haben. Das Haupteinsatzgebiet sind Produkte gegen Cellulite.
Koffein bei Cellulite
Zwei von drei Frauen über 25 haben Cellulite. Sehr selten leiden auch Männer unter den Dellen im Fettgewebe. Cellulite wird heute als eine Kombination aus Veranlagung und hormonellen Einflüssen betrachtet. Faktoren wie Ernährung und Bewegungsmangel spielen hierbei – anders als häufig dargestellt – eine untergeordnete Rolle .
Koffein entwässert, regt die Lymphdrainage an und stimuliert das Enzym Triacylglycerol-Lipase, das Fett unter Abgabe von Wasser in Fettsäuren und Glycerin spaltet. Dieses Enzym ist also für den Fettabbau zuständig. All diese Eigenschaften wünschen wir uns von einem Produkt, dass gegen die ungeliebte Orangenhaut wirken soll.
Und was sagen die Studien? Cellulite lässt sich mithilfe koffeinhaltiger Produkte reduzieren – und das nachweislich. Das gilt vor allem für koffeinhaltige Gele. Eine gesteigerte Durchblutung durch Massagen, Kneipp-Anwendungen oder Wärme soll diese Wirkung verbessern. Vor allem aber die Anwendung von Ultraschall.
Mit Ultraschall die Barriere passieren
Eine nachgewiesene Wirkung hat die Anwendung von Ultraschall mit hochkonzentrierten Koffeingel.
Die Ergebnisse: Eine deutliche Reduzierung der Dicke des Unterhautfettgewebes. Quellen unten im Beitrag.
In Anti-Cellulite-Produkten wird Koffein in Konzentrationen zwischen 0,5 und 3 % eingesetzt. Für die Wirksamkeit ist nicht nur die Konzentration bedeutend, sondern auch kombinierte Inhaltsstoffe, Fette oder Cremegrundlagen. Auch die Qualität des Rohstoffs spielt eine Rolle. Es gibt unterschiedliche Varianten und Mischungen für den Einsatz in der Kosmetik.
In Gesichts- und Körperbehandlungen kommen auch Kaffeepeelings zum Einsatz. Ein solches Peeling kann man aus Pflanzenöl und Kaffeepulver leicht selbst herstellen. Ob der Wirkstoffanteil in so einem Kaffeepeeling ausreicht, ist aber fraglich. In jedem Fall regt ein Peeling die Durchblutung und den Stoffwechsel der Haut an.
Straffende Cremes mit Koffein
Die Eigenschaften von Koffein macht man sich auch bei Gesichtscremes oder -gelen zunutze. Die Mikrozirkulation der Haut wird angeregt, die Hautzellen regenerieren sich besser.
Koffein ist penetrationsfördernd, andere Wirkstoffe ziehen also ebenfalls besser in die Hautbarriere ein. Ultraschall und Liposomen verstärken diesen Effekt auch hier.
Ob Koffein als Mittel zur Stärkung der Barriere, als Anti-Aging Katalysator oder als entstauender Wirkstoff bei unreiner Haut eingesetzt wird –entscheidend sind die weiteren Inhaltsstoffe.
Anti-Aging Katalysator
Zum Anti-Aging Wirkstoff wird Koffein vor allem durch die Kombinationen mit glättenden Substanzen und Feuchtigkeitsbindern. Geeignet sind Feuchtigkeitsbinder wie CM-Glucan, Algenextrakte oder Hyaluronsäure. Außerdem bietet er Schutz vor freien Radikalen und beugt lichtbedingter Hautalterung vor.
! Interessanterweise stärkt Koffein vor allem bei männlicher Haut die Hautbarriere. Das konnte bereits nach einer 7-tägigen Anwendung gemessen werden. Der transepidermale Wasserverlust nahm in den Untersuchungen deutlicher ab als der der Frauen. Warum das so ist, das steht nicht abschließend fest. Wahrscheinlich ist der Effekt hormonell bedingt. Mehr zu Anti-Aging Wirkstoffen hier.
Antioxidans & Sonnenschutz
Koffein ist ein starkes Antioxidans. Die enthaltenden Polyphenolverbindungen bieten Schutz vor der schädigenden UVB-Strahlung und wirken gegen freie Radikale. Sinnvoll sindKombinationen mit weiteren Antioxidantien wie Vitamin C, Vitamin A oder Vitamin E.
Koffein schützt nicht nur vor sonnenbedingten Schäden, es repariert die Haut. Somit ein geeigneter Zusatz in Sonnenschutzprodukten und After-Sun Produkten.
Kombinationen bei unreiner Haut
Der Wirkstoff selbst ist nicht entzündungshemmend. Dennoch wird er bei unreiner Haut zur Wirkverstärkung eingesetzt. Der verbesserte Abtransport von Lymphstauungen fördert die Wundheilung. Geeignete Einsatzgebiete sind vor allem die Akne Tarda (Altersakne) und Akne bei Männern. Wirkstoffkombinationen können EGCG ( Epigallocatechingallat ) bei Rosacea und Akne oder NAG (N-Acetyl-Glucosamin) gegen UV bedingte Hautschäden und Couperose sein. Koffein macht auch als Zusatz in Gesichtswässern zur Öffnung der Hautbarriere Sinn.
Straffend und glättend im Augenbereich
Im Augenbereich werden die gleichen Wirkmechanismen genutzt wie bei der Cellulite, um Schwellungen des Gewebes zu reduzieren. Auch Augenringe lassen sich so verringern. Vor allem Gele und eine Konzentration mindestens 2 Prozent sind hier erfolgreich.
Grenzen – viel kann, wenig ist!
Es gibt also so einiges, was Koffein auf und in Haut und Haar bewirken kann. KANN – denn es spielen sehr viele weitere Faktoren eine Rolle.
Wieviel bleibt noch übrig?
Der Wirkstoff liegt zur Verarbeitung in der Kosmetikherstellung in unterschiedlicher Form vor. Als Pulver, als Flüssigkeit, als Serum oder als Granulat. Die wenigsten Konzentrate enthalten nur Koffein, in der Regel handelt es sich um Gemische. Mit Gelbildnern oder Ölen, in Liposomen verkapselt, kombiniert mit Algenextrakten oder Silica (helles Kieselgel – wird u.a. in Masken eingesetzt).
Die Konzentration an reinem Koffein, die dann schließlich im Produkt übrig bleibt und auf die Haut gelangt, ist oft sehr gering.
Auch eine Frage der Emulsion
Koffein wirkt in zwei Richtungen – es zieht in die Hautbarriere ein und erhöht gleichzeitig die Durchlässigkeit für weitere Wirkstoffe. Das kann Effekte verringern oder verstärken.
Entscheidend ist die Art der Emulsion. Diese beeinflusst die Aufnahme des Wirkstoffs in die Haut. Der Effekt von Nanoemulsionen mit hohem Phospholipidanteil ist deutlich besser als der konventioneller Emulsionen. In den Untersuchungen war eine Gelbasis am wirksamsten.
Weniger ist nicht immer mehr!
Die Durchlässigkeit der Barriere hängt nicht alleine von der prozentualen Konzentration des Wirkstoffs ab, sondern vor allem von der Menge der aufgetragenen Formulierung und von der Einwirkzeit. Auch das haben Untersuchungen eindrucksvoll gezeigt.
Was kann man hieraus ableiten? Zum Beispiel den Einsatz von Koffein in Massagecremes oder in Crememasken, da der Verbleib auf der Haut hier länger ist und die Produkte kompakter aufgetragen werden.
Diese Faktoren sind auch bei Haarausfall entscheidend. Koffein im Shampoo bewirkt noch keine Wunder. Ausschlaggebend sind die Konzentration, die regelmäßige Anwendung und die Verweildauer auf der Kopfhaut. Lassen Sie koffeinhaltiges Shampoo immer ein paar Minuten einziehen und waschen Sie es nicht sofort herunter. Die ganze Prozedur muss jeden Tag erfolgen, denn die Wirkstoffkonzentration in der Kopfhaut nimmt schnell ab.
Es kommt auf die Details an..
Koffein ist einer der No.1-Wirkstoffe in der Cellulitebehandlung. In Studien konnten gute Effekte nachgewiesen werden. So hat der Oberschenkelumfang bei den Probandinnen bereits nach 1-monatiger Anwendung nachweislich abgenommen. Auf diese Studien beziehen sich die meisten Produkte, die derzeit auf dem Markt zu finden sind.
Allerdings wurden diese Studien mit einer 7-prozentigen Konzentration durchgeführt. Und – vor allem das ist sehr entscheidend – konnten diese Ergebnisse hauptsächlich bei der kombinierten Behandlung mit Ultraschall beobachtet werden. Der Wirkstoff war in diesem Fall Bestandteil eines Basisgels.
Nun – ist Koffein jetzt das kosmetische Wundermittel? Ein Allheilmittel- oder Wundermittel ist es natürlich nicht. Dennoch: Koffein kann auf der Haut einiges bewirken und sogar den Haarwuchs unterstützen oder Cellulite verringern. Koffein auf dem Label reicht nicht aus, denn die Konzentrationen, Qualitäten, Zusatzstoffe und und die Einwirkzeiten sind für den Erfolg relevant. Vor einem Kauf sollte man sich also so genau wie möglich informieren – was oft nicht einfach ist, denn diese Angaben stehen nicht in allen Einzelheiten auf dem Etikett.
Quellen
Karger Kompass Dermatol 2013;1:22–27 • DOi: 10.1159/000354286Übersetzung aus skin Pharmacol Physiol 2013;26:8–14 (DOi: 10.1159/000343174)
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Natur und Pharmazie 3/2007
– Es handelt sich hier um einen Auszug der verwendeten Quellen!